Digitalkameras können längst mehr als nur Fotos schießen. So zählt die Videoaufnahme zu den Grundfunktionen aktueller Modelle. Insbesondere Systemkameras liefern dabei nicht nur tolle Bildqualität, sondern praktische Extras speziell für Filmschaffende oder auf Neudeutsch: für “Vlogger”, die Abkürzung von “Video Blogger”. Schon kleine und günstige Kameras trumpfen hier groß auf, wie der Vergleichstest zeigt.
Der Spitzenplatz geht an die Sony ZV-E1. Die Videoqualität der Systemkamera überzeugte im Test auf ganzer Linie. Dank großem Vollformat-Aufnahmesensor lieferte sie sehr detailreiche und knackig scharfe Aufnahmen. Für Action und schnelle Kameraschwenks kann sie in 4K statt mit 30 auch mit 60 Bildern pro Sekunde (4K60p) oder sogar 120 Bildern pro Sekunde (4K120p) filmen. Der Autofokus arbeitet sehr schnell und sehr genau. Hinzu kommen zahlreiche Einstellmöglichkeiten und eine bessere Tonqualität als bei den meisten Systemkameras, denn die ZV-E1 hat ein besonders aufwendiges Drei-Kapsel-Mikrofon. Das lässt sich für Aufnahmen draußen mit einem Windschutz bestücken. Neben Bild und Ton überzeugte im Test die Ausdauer der Sony. Mit einer Akkuladung sind deutlich mehr als zwei Stunden drin. Lediglich auf einen eingebauten Sucher verzichtet die Sony ZV-E1. Zusammen mit dem FE 28-60mm f4-5.6 kostet die Kamera knapp 2.320 Euro (Stand: Juni 2024).

Sony ZV-E1

Praktisch: Die Bedienung der Sony ZV-E1 erfolgt teilweise per Fingertipp auf das Touchscreen-Display.

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Die Panasonic Lumix G110 ist klein, hat aber einen besonders großen und detailgenauen Sucher. Filmende können sich über viele Zusatzfunktionen freuen. So zeigt die Tally-Funktion klar mit einem roten Rahmen auf dem Bildschirm an, wenn die Kamera filmt. Auch eine Mikrofonbuchse ist vorhanden. In 4K filmt die Lumix G110 maximal zehn Minuten, wer länger in einem Rutsch aufnehmen will, muss auf Full HD wechseln. Erhältlich ist die Kamera für knapp 580 Euro inklusive 3-fach-Zoom Lumix G 12-32mm. Das Vlogging-Kit mit Fernsteuer-Handstativ schlägt mit knapp 580 Euro zu Buche (Stand: Juni 2024).

Die Panasonic Lumix G110 gibt es als Vlogging-Kit mit praktischem Stativ.

Die Panasonic Lumix G110 gibt es als Vlogging-Kit mit praktischem Stativ.

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Alle getesteten Vlogging-Modelle können in 4K mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde filmen (4K30p), die teure ZV-E10 sogar mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde (4K60p). Das passt perfekt für UHD-Fernseher, die ja die gleiche Auflösung mit 3840 x 2160 Bildpunkten nutzen. Die Videos sehen richtig gut aus. Auch Kameras mit kleineren Sensoren wie die Panasonic Lumix G110 und die Sony ZV-1 II liefern sehr detailreiche Aufnahmen. Die Videos von Kameras mit größeren Sensoren wie die Nikon Z30 und die Sony ZV-E10 sehen bei Schummerlicht allerdings besser aus. Zudem ist hier die Schärfentiefe bei gleicher Blende geringer. Dadurch hebt sich das Motiv besser vom Hintergrund ab. Große Unterschiede gibt es bei der Aufnahmedauer in 4K: Die sehr kleine Lumix G110 filmt maximal 10 Minuten am Stück, damit sie sich nicht überhitzt. Neuere Modelle halten da länger durch: Die ZV-E10 schafft 87 Minuten mit einer Akkuladung, die ZV-1 II 56 Minuten. Das klappt allerdings nur mit einem Kniff: Beide Kameras erlauben im Menü eine höhere Kameratemperatur. Damit sind längere Aufnahmen möglich, allerdings wird die Kamera auch deutlich wärmer. Dieser Trick fehlt der Z30: Sie nimmt bis zu 42 Minuten 4K auf, dann schaltet sie zum Kühlen ab.

Die Nikon Z30 ist ein echter Mini und sehr leicht, liegt aber trotzdem richtig gut in der Hand. Die Bedienung ist einfach. Wer will, kann erst einmal mit der Vollautomatik anfangen und später dann die Kameraeinstellungen nach eigenem Gusto anpassen. Die Z30 ist vor allem für Videofilmer eine gute Wahl, denn sie bietet hier eine lange Aufnahmedauer, guten Ton schon mit dem eingebauten Mikrofon und (im Vlogger-Kit) ein praktisches Mini-Stativ mit Fernbedienung sowie einen Windschutz fürs Mikrofon. Die Bildqualität der Z30 ist richtig gut, nicht nur beim Filmen, sondern auch beim Fotografieren. Der Autofokus reagiert schnell, führt die Schärfe genau nach und erkennt Augen automatisch. Ein Tribut an das Mini-Gehäuse und das aufwendigere Mikro ist der Verzicht auf einen Sucher und einen eingebauten Blitz – wer das haben möchte, kann zum Schwestermodell Z50 greifen, muss dann aber auf einen Teil der Videofunktionen verzichten. Die Z30 kostet als Gehäuse etwa 670 Euro, mit dem getesteten Zoom 700 Euro, der Vlogging-Kit mit Mini-Stativ, Fernbedienung und Windschutz fürs Mikrofon kostet etwa 790 Euro (Stand: Juni 2024).

Nikon Z30 Windschutz Dead Cat Tote Katze

Die im Fachjargon Dead Cat (tote Katze) genannten Stoffbüschel verringern bei Außenaufnahmen mit der Nikon Z30 lästige Windgeräusche.

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Die Sony ZV-E10 ist noch stärker als die meisten Vlogging-Kameras auf Videoaufnahmen ausgerichtet. Hier punktet sie mit hervorragendem Autofokus, toller Bildqualität, langer Aufnahmedauer (bis zu 90 Minuten pro Akkuladung) und vielen Zusatzfunktionen wie Hochformatvideo, Mikrofonanschluss oder der Möglichkeit, im Log-Format aufzunehmen. Ein Highlight ist das eingebaute Mikrofon mit beigelegtem Windschutz und hoher Tonqualität. Über die Ladentheke geht die Kamera samt Objektiv ab etwa 700 Euro. Im Vlogging-Set inklusive Handstativ mit integrierter Fernbedienung und einem externen Mikrofon gibt es sie ab etwa 1.000 Euro (Stand: Juni 2024).

Die Sony ZV-E10 ist mit hochwertigen Mikrofonen ausgestattet.

Die Sony ZV-E10 ist mit hochwertigen Mikrofonen ausgestattet, der aufsteckbare Windschutz zählt zum Lieferumfang.

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Der Ton klingt über die eingebauten Mikrofone oft etwas hallern. Hörbar besseren Ton gibt es bei Kameras mit aufwendigeren Stereo-Mikrofonen, wie den Modellen der ZV-Serie von Sony und der Nikon Z30. Störende Windgeräusche verhindert hier auf Wunsch eine “tote Katze”. Bei allen Kameras lässt sich aber auch ein externes Mikrofon ansetzen, das es oft besonders günstig als Bestandteil eines Vlogger-Kits gibt.

Videos filmen, ohne auf die Schärfe achten zu müssen? Kein Problem für die meisten Testkandidatinnen. Wer eine Systemkamera von Nikon oder Sony kauft, bekommt einen reaktionsschnellen Autofokus mit genauer Schärfenachführung und ausgefeilter Motiverkennung. Da kann die Panasonic Lumix G110 nicht ganz mithalten. Ihr Autofokus arbeitet mit einer Kontrastmessung sehr genau, bei schnellen Bewegungen schafft sie es aber nicht immer, die Schärfe schnell genug nachzuführen.

Die Sony ZV-1 II taucht nicht oben in der Bestenliste auf, weil sie als Kompaktkamera nicht direkt mit den übrigen Sytemkameras vergleichbar ist. Ihr Objektiv ist also fest eingebaut und nicht wechselbar. Mit dem Super-Weitwinkel-Zoom ist die ZV-1 II dennoch perfekt zum Vloggen, vor allem wenn noch reichlich Umgebung im Bild zu sehen sein soll. Außerdem macht sie ihrer Bezeichnung als Kompaktkamera mit handlichen Abmessungen alle Ehre. Wer kein Superweitwinkel braucht und den Fokus aufs Fotografieren legt, fährt jedoch mit den Schwestermodellen aus der RX100-Serie besser: Die haben Sucher, Bildstabilisator sowie Blitz eingebaut und bieten mehr Zoom im Tele-Bereich. Dafür punktet die neuere ZV-1 II mit einer noch aufwendigeren Motiverkennung für den Autofokus und einer einfachen Bedienung per Fingertipp auf den Touchscreen. Kostenpunkt für die kleine Vlogging-Kamera: 810 Euro, im Vlogging-Kit mit Mini-Stativ und Mikrofon ab etwa 1.100 Euro (Stand: Juni 2024).
Teure Profi-Systemkameras sind inzwischen mit Video-Zusatzfunktionen vollgestopft – und die finden langsam, aber sicher auch bei günstigeren Kameras Einzug. So können beispielsweise neue Vlogging-Kameras HDR-Videos mit größerem Kontrastumfang aufnehmen: die Modelle aus Sonys ZV-Serie in HLG (siehe Begriffserklärung unten). Das ist zum Beispiel bei Strandaufnahmen ein Vorteil, weil sich so ein größerer Kontrastumfang darstellen lässt – und moderne TV-Geräte HLG-Videos direkt wiedergeben können. Die Nikon Z30 kann das teilweise durch das Einschalten der Funktion “Active D-Lighting” kompensieren. Aufnahmen im Log-Format sind mit der Lumix G110 und den Sony-ZV-Modellen möglich – das ist aber nur für Filmer wichtig, die mit Profi-Software arbeiten und neben dem Videoschnitt aufwendige Farb- und Helligkeitsanpassungen beim sogenannten Color Grading vornehmen wollen. Besonderheit bei der ZV-E1: Sie kann auch mit 10 Bit Farbtiefe aufnehmen. Damit lassen sich feine Helligkeitsunterschiede genauer erfassen. Direkt aus der Kamera gibt es keinen nennenswerten Vorteil bei der Qualität gegenüber der Konkurrenz. Die 10-Bit-Aufnahme bringt eher etwas mehr Spielraum bei der Nachbearbeitung der Videos. Videoaufnahmen erzeugen sehr große Datenmengen. Viel Arbeit für den Bildprozessor, der so den Akku zügig leert. Wer gerne lange filmt, braucht da oft einen zweiten Akku oder versorgt die Kamera per USB mit Strom. Das klappt mit allen Testkandidatinnen außer der Lumix G110.

MP4 / MOV: Beide Formate sind für Video-Dateien. Welches zum Einsatz kommt (meist MP4), spielt keine große Rolle mehr – TV-Geräte und Video-Software geben meist beides wieder.

H.264 / H.265: Darin verstecken sich die Kompressionsverfahren, mit denen Videos platzsparend gespeichert werden. H.265 ist neuer und deutlich effizienter, braucht aber auch deutlich mehr Leistung.

HDR PQ / HLG: Spezialformate für Aufnahmen mit größerem Kontrastumfang (High Dynamic Range), die moderne Fernseher direkt wiedergeben können. Bei Sony im Menüpunkt “Fotoprofil”.

8 Bit / 10 Bit: Mit 10 Bit lassen sich Helligkeitsunterschiede in Videos feiner abspeichern. Das kann bei aufwendigerer Videonachbearbeitung ein Vorteil sein, kostet aber etwas mehr Speicherplatz.

Log-Format: In diesem Video-Format lassen sich größere Helligkeitsunterschiede als bei den Alternativen erfassen. Vor der Videobearbeitung sehen viele Log-Videos kontrastarm aus.

Clean HDMI: Damit ist eine Ausgabe des Bildsignals ohne Zusatzinformationen über die HDMI-Buchse gemeint. Nützlich bei der Wiedergabe von Fotos und Videos auf einem Fernseher.

Besonders leicht ist die Bedienung, wenn die meist grün markierte Vollautomatik eingeschaltet ist. Wer in den Menüs die Einstellungen ändern will, hat es bei Canon und Nikon etwas einfacher – die Menüs sind besser strukturiert und die Bezeichnungen gut verständlich. Wer eine Kamera möchte, die besonders gut in der Hand liegt, findet beispielsweise an der EOS R50 und der Z30 besonders ausgeprägte Griffe. Bei der Lumix G110 und der ZV-E10 fallen die deutlich kleiner aus, einige Kameras wie die Zfc und die ZV-1 II sparen sie sich ganz. Das ist aber nur bei der Zfc ein Nachteil, wenn ein schweres Objektiv an der Kamera steckt.

Vlogging-Kameras machen nicht nur beim Filmen, sondern auch beim Fotografieren eine gute Figur. Einziger Nachteil: Viele Vlogging-Modelle verzichten auf einen Sucher. Das erschwert es, dem Motiv zu folgen. An sonnigen Tagen sollte daher die Helligkeit des eingebauten Displays hochgestellt werden. Wer nur gelegentlich filmt und den Schwerpunkt aufs Fotografieren legt, fährt oft mit den Schwestermodellen der Vlogging-Kameras besser und greift dann beispielsweise zur Sony Alpha 7C II statt zur ZV-E1 oder zur Nikon Z50 statt zur Z30. Nur bei Panasonic ist da keine Überlegung nötig. Die Lumix G110 kommt mit einem sehr großen und sehr detailreichen Sucher.

Testsiegerin ist die Sony ZV-E1 mit klarem Vorsprung. Die Kamera ist schnell, arbeitet sehr genau und punktet mit hervorragender Bildqualität bei Videos und Fotos. Wer bei Tempo und Fotoqualität leichte Abstriche macht, erhält mit dem Preis-Tipp Panasonic Lumix G110 eine besonders kompakte und sehr günstige Systemkamera. Etwas teurer, dafür mit etwas besserer Bildqualität, besonders gutem Ton und extralangen Aufnahmen sind die Nikon Z30 und die Sony ZV-E10 eine Alternative zur Lumix G110. Ein Nachteil, den viele Videofans aber verschmerzen dürften: Die Z30 und die ZV-E10 müssen mit einem Schwenk-Display auskommen, sie verzichten auf einen Sucher.

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